Allgemeine Deutsche Biographie

Band 53, Seiten 790 – 791

 

 

Piglhein: Elimar Ulrich Bruno P., Maler, wurde am 19. Februar 1848 in Hamburg als der Sohn eines angesehenen Dekorateurs geboren, der ihn schon frühzeitig mit seinem Handwerk vertraut machte, indem er ihn zahlreiche kunstgewerbliche Zeichnungen anfertigen ließ. Als er seine Schulzeit hinter sich hatte, trat er in das Bildhaueratelier von Lippelt ein. Nach dessen Tode bezog er im Jahre 1864 die Dresdner Kunstakademie und wurde hier Schüler Schilling’s. Da er jedoch viel zu realistisch arbeitete und zu malerisch empfand, entschloss er sich, die Bildhauerei an den Nagel zu hängen und Maler zu werden. In diesem Berufe wandte er sich zunächst nach Weimar, wo er sich an der unter Pauwel’s Leitung stehenden Kunstschule ausbilden wollte. Da ihm aber das kleinstädtische Wesen in Weimar nicht behagte, siedelte er schon nach einem halben Jahre (1870) nach München über. Er wurde hier vorübergehend Schüler von Diez, machte sich jedoch sehr bald selbstständig und schuf zunächst unter dem Einflusse Makart’s eine Reihe dekorativer Arbeiten, die über den engsten Kreis ihrer Besteller nicht hinaus bekannt geworden sind. Ferner übte damals auch Böcklin eine große Anziehungskraft auf ihn aus, wovon eine Reihe von Zentaurenbilder aus den siebziger Jahren Rechenschaft gibt. Obwohl er schon damals für Hans v. Schöen in Worms die damals in vielen Nachbildungen verbreitete Idylle „Kind und Hund am Ufersteg sitzend“ gemalt hatte, blieb er doch noch lange dem Publikum so gut wie unbekannt. Das änderte sich erst im Jahre 1879, wo er auf der Münchener Ausstellung mit seinem großen Kreuzigungsbilde: „Moritur in Deo“ (heute in der Berliner National-Galerie) allgemeines Aufsehen erregte. Aber die Käufer blieben auch diesmal aus. Piglhein entschloss sich daher auf Anregung des Kunsthändlers Ackermann in München, zum Pastellstift zu greifen und sein Glück mit der Schilderung pikanter Damen zu versuchen, unter denen er Pieretten, weibliche Jockeys, spanische Tänzerinnen und stark dekolltierte Ballschönheiten bevorzugte. Gleichzeitig schuf er eine Reihe von Kinderbildern und wusste sich noch durch mehrere Porträts aus der Münchener Gesellschaft einen Namen zu machen. Bald kam er in die Mode, wurde freilich auch von der strengen Kritik als Sittenverderber und Hetärenmaler angegriffen. Daß er diesen Vorwurf nicht verdiente, sondern im Grunde eine durchaus ernst veranlagter Künstler war, zeigte er durch das mit großer Sorgfalt auf Grund eingehender Studien in sehr kurzer Frist gemalte „Panorama der Kreuzigung Christi“, durch das er einen vollgültigen Beweis seines bedeutenden Wissens und ungewöhnlichen Könnens ablegte. Leider ging das im Jahre 1896 vollendete und zuerst in München ausgestellte Rundgemälde, das die allgemeine Bewunderung voll verdiente, im Jahre 1892 bei einem Brande in Wien vollständig zu Grunde. In den nächsten Jahren beschäftigte sich Piglhein wiederum mit größeren Arbeiten ernsten Inhalts. Die große „Grablegung“ vom Jahre 1888 erwarb der bairische Staat für die neue Pinakothek in München. Viel Aufsehen erregte im Jahre 1890 „Die Blinde“, ein Riesenbild, das im Jahre 1891 in Berlin an einen Amerikaner verkauft wurde. Bei Begründung der Münchener Sezession im Jahre 1892 trat er als Präsident an deren Spitze, obwohl er schon damals mit einem schweren, seine Arbeitskraft hemmenden körperlichen Leiden zu kämpfen hatte. Er starb am 15. Juli 1894. Vom Januar bis März 1895 fand eine Ausstellung seiner Werke in der Berliner National-Galerie statt.

         

          Zeitschrift für bildende Kunst. 22. Jahrgang. Leipzig 1887, Seiten 165 bis 172. – Friedrich Pecht, Geschichte der Münchener Kunst im 19. Jahrhundert, München 1888, Seiten 381 – 382. – Adolf Rosenberg, Die Münchener Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871, Leipzig 1887, Seiten 70 – 72. – Ders., Geschichte der modernen Kunst III, 119 – 120, Leipzig 1889. – Die Kunst für Alle, 9. Jahrgang, 1893 – 1894, München 1894, Seiten 342 – 343. – Illustrierte Zeitung, Leipzig 1894, Nr. 2665, Seite 103. – Friedrich von Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts II, 269 – 272, Dresden 1898.

                                                                                                    H. A. Lier

 

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